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DIE ENTSTEHUNG VON "TENDER BUTTONS -
EIN POETISCHES MUSIKTHEATER"

- Ein Referat -

In Hamburg-Altona - in seinem schönsten Teil Ottensen - befindet sich eine leerstehende Fabrik, eine "Kathedrale der Arbeit", wie man in den 20er Jahren zu sagen pflegte. Hier etablierte sich 1989 die SCALA, um mit Unterstützung der Stadt und anderer Organisationen einen Aufführungsort zu führen, der "grenzüberschreitende" Produktionen vorstellen wollte. Ich gehörte als "Hauskomponist" und Teilhaber in der GmbH mit zum Team. In der ersten Zeit hauptsächlich als Tourneetheater für freie Gruppen genutzt, fiel 1989/90 die Entscheidung für eine erste hauseigene Produktion. Die Hamburger Kulturbehörde unterstützte das Projekt "Tender Buttons - ein poetisches Musiktheater".

Für mich erfüllte sich damit ein Wunschtraum, der in die frühen 60er Jahre zurückgeht. Aufmerksam gemacht durch Günter Blöckers Buch "Die neuen Wirklichkeiten", welches eher kritisch distanziert Gertrude Stein gegenüber stand, las ich zum ersten Mal ihre Schriften, u.zw. zuerst "Tender Buttons", also gleich das Steinigste der Stein und nicht zugänglichere Kost wie etwa "Die Autobiographie von Alice B. Toklas".

Immer wollte ich schreiben, wie sie komponiert. Ich habe viele Ansätze gemacht, so z.B. 1990   mit dem kurzen Chorstück "Peeled Pencil, Choke" aus "Tender Buttons", aber es war noch nicht das Richtige.

Ulrike Gabrielli, die Dramaturgin und Mitgesellschafterin, und ich suchten uns die Mitarbeiter zusammen.

Jasmin Solfagharis schnurrige Inszenierung einer Kounadis-Oper hatte ich noch in guter Erinnerung. Sie präsentierte sich darin als gewitzte und bodenständige Geschichtenerzählerin. Ich war der Meinung, daß ein Musiktheater, das die Wahrnehmung zum Thema macht, bodenständige, realistische Beispiele bringen muß.

Mit Florence von Gerkan hatte ich bereits am Thalia Theater zusammengearbeitet. Mode, so gab sie mir zu verstehen, ist ein Zeichensystem, und damit trat die Kostümbildnerin offene Türen bei mir ein. (natürlich kannte sie "Système de la Mode" von Roland Barthes).

Beide sagten zu.

Später stieß Mascha Braun mit einer dicken Mappe von Bühnenentwürfen hinzu, an denen mich gerade jene faszinierten, die von einer fragmentarischen Unfertigkeit waren.

Der Schlagzeuger Matthias Kaul sagte zu unter der Bedingung, daß ich für seine neu erworbene Glasharmonika komponiere.

Während der Arbeit kam noch Wolfgang Brüggemann dazu, der das Plakat und das Programmheft entwarf, ein Programmheft wie ein Text von Gertrude Stein.

Die Suche nach Margite, Marguerite und Margherita war langwierig. Am Ende hatte ich zwei amerikanische und eine deutsche Sängerin.

Am Anfang existierte keine Note und kein Plan, nur ein Umriß.

Es gab zwei Bücher. Eines hieß "Tender Buttons" aus dem Jahre 1914 und das zweite "Zarte Knöpfe" und war der von uns mit großem Respekt behandelte Wahnsinnsversuch einer Übersetzung von Marie-Anne Stiebel im Suhrkamp Verlag.

Es gab noch etwas:

Das waren Karteikarten mit Notizen, Eindrücken, Reflexionen, Fragen, Entwürfen, Erklärungen etc., sozusagen das Beethovensche Notizbüchlein des Komponisten Thomas Jahn, in dem es keine fünf Linien und keine Noten gab. Es war, ich gestehe es heute, abgeguckt. Abgeguckt in Verehrung. Abgeguckt von Roland Barthes.

In vielen Sitzungen tauchten wir auf die vielfältigste Weise in die Texte ein.

Wir stellten fest, daß Gertrude Stein diskursive Wortarten wie das transitive Verb "suggest" oder "suppose", das konjunktivistische "if", den Imperativ und die rhetorisch gestellte Frageform bevorzugt. Die Addition von Substantiven hat Aufforderungscharakter, einen imperativen Gestus. Die Auswahl dieser Strukturen in einer den Strukturen der Rede arrangierten Art und Weise ließ uns darauf schließen, daß Gertrude Stein Textdeklamation, rhetorische Textdeklamation betreibt.

Über das wiederholte Sprechen, Vorsprechen, Nachsprechen der Texte entdeckten wir Wortkombinationen, die von musikalisch-akustischen Vorstellungen geleitet sein müssen. Das Arrangement der Vokale und Konsonanten bewegt sich in einem Formantenspektrum der allerfeinsten Abstufungen.

Wie Sie wissen, besitzen Vokale und Konsonanten einen Obertonanteil - Formant genannt - der ihnen die charakteristische Klangfarbe gibt. Mund,- Nasen - und Brusthöhle sind dabei Resonatoren von elementarer Wichtigkeit.

Die Worte "light" (lait) und "white" (wait) zum Beispiel präsentieren Vokale in einem ähnlichen Formantbereich. Beim wiederholten Hören entdeckt man Unterschiede, die durch Einfärbungen der ihnen vorstehenden Konsonanten entstehen.

Der Konsonant "l" entläßt "ight" (ait) schneller in seinen Formantbereich als "wh" ( w) in "ite" (ait) . Überdie färben "w"und "h" das folgende "ite" ein. Der Einschwingvorgang wird verzögert.

Das Wort "disgrace" (dis´greis) mit seinen geräuschhaften unharmonischen Anteilen im Partialtonspektrum der Konsonanten "s", der Kombination "gr" und des am Ende stehenden zischenden "ce" in Bezug gesetzt zu "light white" präsentiert Formanten auf "höherer Ebene".

Die Worte "ink spot" mit ihren blitzartig auftretenden Vokalformanten? hell´ ( i) und? dunkel´ (o) , hart abgeschlossen durch die Umharmonischen in "k" und "t", noch einmal in Bezug gesetzt zu den Obertonerscheinungen der vorhergehenden Worte, vermitteln eine weitere Kompression.

Erst die Worte "rosy charme" mit Formanten im mittleren Obertonspektrum präsentieren moderate Helligkeit, haben Ausklangcharakter.

Jedem dieser Wort - oder Silbenpaare wird ein "a" vorangeschickt. Es ist nicht abgegrenzt von Konsonanten, obertonmäßig moderat und läßt sich gut anbinden. Mehr noch: Es gibt dem raffiniert gemixten Obertoncocktail der Wortnachbarn ihren eigentlichen Glanz.

Und "a" besitzt eine metrische Kraft. Das Wort ist wie eine arsis. Es wird viermal in Funktion gebracht. Es vermittelt Bewegung. Es tanzt:

"A light white, a disgrace, an ink spot, a rosy charme".

Wie Sie hören, kann man einen Text von Gertrude Stein unter rein klangfarblichen Aspekten betrachten. Und dieses ist sogar um so leichter, je komplexer der semantische Aspekt   ist.

Der gestische Charakter ihrer Texte, der sich beim Sprechen einstellt und sich verbindet mit Körpersprache wurde gemerkt und notiert. Die Bewegung der Hand, die Drehung des Körpers, die angespannte und die entspannte Haltung des Kopfes, der weitausholende Schritt oder der unsichere Gang, alle diese gestischen Strukturen ergaben ein Repertoire von Fragmenten für das spätere Arrangement.

Einen Hauptteil der Zeit verwandten wir für das Erstellen von Subtexten oder Subgeschichten, die oft nicht länger als ein Atemzug waren. Das war ein aufregender Prozeß, auch im Umgang miteinander. Der - oder diejenige, die einen Subtext erfand, "warf ihn in die Runde" nicht zur Beurteilung, sondern als Aufforderung, an ihm weiter zu stricken. Er war fertig gestrickt, wenn uns die Lust verließ oder ein anderer Text von Gertrude Stein unser Interesse weckte. Ähnlich erging es uns bei den Subgeschichten. Es konnte eine kleine Situation sein, die mit Phantasie ausgefüllt wurde, aber in ihrem Rahmen blieb. Doch es gab auch Geschichten, die sich ausweiteten und sich von sich selbst entfernten. Die Anregungen gingen von den Klangfarbenkombinationen der gesprochenen Worte wie auch von der häufigen Nennung von Farben aus.

Am Ende solcher brainstormings bestand überhaupt nicht die Verpflichtung, das Gewonnene in Theater oder was das auch werden würde, umzusetzen. Es waren "Einübungen in die Steinsche Grammatik", wie ich es nannte. Es waren Einübungen in eine bestimmte Art, Texte darzustellen. Keine Vorbesprechung hätte das erreicht. Das Verständnis kam mit den Etüden, langsam und beharrlich.

Das zunehmende Denken in Begriffen wie "Struktur", "Funktion" und "Strukturen in Funktion bringen" anstelle hierarchisch besetzter Begriffe der Abgrenzung und Zuweisung wie "Text schreiben", "Musik komponieren", "Geste darstellen", "Kostüm schneidern", "Maske bilden" und "Bühnenbild bauen" setzte sich in dem Maße durch, in dem unsere Vorstellungen von einer anderen Art, Musiktheater zu machen, wuchsen. Die Sicht, eine Struktur Stoff, in Funktion gebracht zu einem Kleid, unterscheidet sich nicht mehr von einer Struktur Frequenz, die, funktionalisiert, eine Vertikale als Akkord oder Horizontale als Melodie ergibt. Das Sprechen und Denken in Begriffen des Strukturalismus und der Informationstheorie ist Ausdruck einer freien Kommunikation. Das oft ohnmächtige Formulieren "in einer Sprache, die schon so viel geredet hat" (Maurice Merleau-Ponty) macht es einer Arbeit am Theater, die auch andere Arbeitsweisen erprobt, so unnötig schwer. Auf dem Neuland des poetischen Musiktheaters mit seinen Bedeutungen, die Bedeutungen von Bedeutungen sind, mit seinen Mythen, die extrapolierte Mythen anderer Mythen sind, mit seinen mehrfachen Ebenen und mit seiner Aleatorik, die Gewinn und Fußangel zugleich sein kann, ist gerade die präzise, objektive, emotionslose Verständigungsweise Bedingung. Wenn Kunstschaffen das ist, "was der Mensch dem Zufall entreißt", muß die Kommunikation darüber eine Genauigkeit besitzen, die den Zufall observiert. Der nicht observierte Zufall ist ein agent provocateur, ein Objekt der Korruption, ein Intrigant, und sein Begehr ist die Zufälligkeit, das Beliebige, die Austauschbarkeit.

Der kathedralenartige Raum von SCALA übte eine die Phantasie anregende Wirkung aus. Wir wanderten ihn ab, wir klopften ihn ab, wir rannten in ihm herum, wir rochen die Ölgerüche der Maschinen aus einer vergangenen Zeit. Ulrike Gabrielli wohnte in ihm eine gewisse Zeit.

Wir lasen uns Steinsche Texte auf eine große Distanz vor, um zu erfahren wie die Halle tönt. Wir schworen uns,den Raum in keiner Weise akustisch "freundlich" zu machen. Was da entstehen würde, würde für diesen Raum sein, so wie er ist.

Am Ende der brainstormings besaßen wir ein Repertoire von unzähligen szenischen Fragmenten, die mich an Mikado-Hölzer erinnerten. Man mußte sie nur noch fallen lassen, um zu sehen wie sie angeordnet sind und miteinander verbunden werden können.

Schon zu Beginn hatte ich einen weiteren Text von Gertrude Stein   mitgebracht mit dem Titel "Margite, Marguerite and Margherita". Wir dachten über eine Dreiecksgeschichte nach, die wir in die Texte einbauen könnten. Bei genauer Betrachtung stellten wir fest, das Margite, Marguerite und Margherita, um mit Musil zu sprechen, "Frauen ohne Eigenschaften", keine Ich-Figuren, keine Heldinnen, sondern kunstvoll montierte Wesen waren. Sie waren Figuren, aber biegsame Figuren voll Fleisch und Blut, wunderbar emphatische Figuren, die unsere Fragmente so präsentieren könnten, als wären sie Teil einer Geschichte.

Mit der Entscheidung, sie als Moderatorinnen einer Narration zu verstehen, wurde die Form in seinen Umrissen deutlich.

Narration.

Dieser Begriff ist unbelasteter als Begriffe wie Geschichte oder Handlung, wenn man bei der Definition mit einbezieht, daß sie auch Bauteil der Rhetorik ist. Roland Barthes spricht von "überredender Darstellung" und fixiert zwei Merkmale:

"1. ihre Nacktheit: keine Abschweifung, keine Prosopopöie, keine direkte Argumentation;
... sie muß nur klar, wahrscheinlich und bündig sein;

2. ihre Funktionalität: sie ist eine Vorbereitung auf die Argumentation;
die beste Vorbereitung ist jene, in welcher der Sinn verborgen ist, die Beweise als unscheinbare Samen verstreut sind..."

Darauf kam es an!

Auf die überredende Darstellung mit allen Funktionen, die ein Musiktheater bieten kann. Das wäre das adäquate Sinnlichmachen eines Textes, der nach den gleichen Grundsätzen geschaffen worden ist.

Es folgte ein zeitraubender Abschnitt des Änderns der Reihenfolge der Fragmente - also jene zuvor erwähnten Mikadohölzer, die in unserer Vorstellung ausgeworfen waren und bereitlagen zu einer Anordnung - und diese sendeten diverse Konnotationen in alle Richtungen. Jetzt galt es, zu prüfen, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede zwischen ihnen bestanden, um sie in eine überzeugende Folge zu bringen.

Ich schrieb damals auf eine Karteikarte:

"Mouvement"

- Gestern war derAuftrittsort noch dort -
- Es ist geändert worden -
- Stehe ich hier oder da -
- Ersteinmal da, doch es kann sich ändern -
- Legen wir das jetzt fest -
- Ich bin nicht sicher. Möglicherweise muß es geändert werden -
- Gilt die gestrige Änderung noch -
- Nein, sie muß geändert werden -
- Warum ändern wir -
- Um eine Geschichte zu erzählen -

Nun begann ich, die ersten Musiken zu schreiben.

Ein siebentaktiger Rhythmus war ein Grundmaterial, welches motivisch durch das ganze Konstrukt gehen sollte. An welcher Stelle das Motiv stand, hing aber nicht von mir ab, sondern von dem Ergebnis des permanenten Verschiebens der Einzelteile.

Das Niederschreiben von Musik schloß in ganz besonderem Maße das präzise Notieren der Gesten, der Gänge, der Körperhaltungen, der Bewegungen, kurz   der Körpersprache mit ein. Einige Partituren entwickelten sich zu Bewegungspartituren wie "Mildred´s umbrella" oder "A piece of coffee". Diese Partituren waren auch Appelle und Vorgaben an die MitarbeiterInnen, die Genauigkeit und Klarheit beizubehalten, wenn andere Partituren sich nur auf das Aufschreiben musikalischer Zeichen beschränken würden. "A dog" bestand aus einem Notenblatt in der Art einer szenischen Rahmennotation, in der man sich frei bewegen konnte mit der Maßgabe, das Gefundene so genau wie möglich zu präsentieren.

Am Beispiel des Auftaktes hielt ich den Gedanken der Klarheit auf einer Karteikarte fest und gab sie den anderen:

"75 Millionen Arten, einen Auftakt zu machen. Der Auftakt ist immer auch ein Schritt zum nächsten. "Tender Buttons" ist eine Folge von Auftakten. Der Gestus: Arme und Hände sind primär am Auftakt beteiligt, aber der ganze Körper muß beobachtet werden. Der Körper muß in ein gestisches Raster gestellt werden. Im Auftakt: Wie ist die Haltung des Kopfes, wie groß ist der Winkel des auftaktigen Armes zum Körper (z. B. im ritardierenden Auftakt), wie ist die Stellung der Brüste, Stellung des Beckens, der Hüften, die Position der Beine und Füße. Mehrstimmigkeit der Körpersprache - und alles muß in der Partitur festgehalten werden."

Die Betonung auf Genauigkeit und Klarheit war weniger auf literarische Vorgaben zurückzuführen und schon garnicht auf solche des Sprech-oder Musiktheaters, sondern auf die des Films. Die Körpersprache sah ich durch ein imaginäres Kameraobjektiv. Mein Blick war der zoom, die Amerikanische, die Aufblende, die Totale, der closeup. Ich fuhr im dolly der Körpersprache hinterher, kam ihr entgegen oder umkreiste sie. Ich ließ sie zur Standphotographie einfrieren, ich überblendete sie zu einer anderen Perspektive und zu einer weiteren, um sie schließlich alle im split screen zu versammeln.

Diese Sichtweise, die sich deutlich in der Partitur niederschlägt, mußte nun umfunktioniert werden für die live-Situation in einem kathedralenartigem Raum.

Eine interessante Reprise.

Was einst das Theater dem Film gab, gibt der Film   dem Theater zurück. Und das Theater ist nicht mehr das, was es noch zu sein scheint.

Die in schneeweißen Handschuhen das bronzefarbene TamTam antastende Hand des Schlagzeuger in "Objects" ist wie die Sicht durch das Teleobjektiv. Aber es findet live statt mit einem Schlagzeuger, der sich hinter dem TamTam versteckt, also für den Zuschauer nur so tut, als ob er nicht da wäre und damit eine Art Verfremdung des heiter Spielerischen auslöst.

Das black out des Lichts in "A piece of coffee" ist wie das Schließen und Öffnen der Linse bei laufender Kamera. In der "fremden" Umgebung einer theatralischen live-Situation erlangen sie eine eigene Wirkung, die ebenfalls auf der Verfremdung beruht.

Die Spiegelsequenz zu "A long dress", in der es nur einen imaginären Spiegel gibt, in den Marguerite auf der einen Seite und Margherita auf der anderen Seite hineinschauen und sich bewegen, beruht auf dem Spiegeltrick (mirror shot) des Films. Und auch hier ist die Transformation eine Verfremdung, eine besonders verwirrende.

Der Fortgang dieses Work in progress bestand in einem ständigen Anbieten von Ideen zur Umsetzung aller MitarbeiterInnen. Wir waren im Sinne von Roland Barthes "Arrangeure", also laut Duden Vereinbarer und Zusammensetzer zugleich. Der Fortgang beschleunigte sich bis zu dem Tag, den wir uns als deadline gesetzt hatten.

Ich gestehe, daß ich diesen Tag fürchtete. Ich hätte ihn unendlich gerne hinausgeschoben. Die arrangierten Fragmente waren ja nur ein winziger Ausschnitt einer Bedeutungswelt, die nach weiterer Veränderung verlangte.

Wie wäre es, die Sequenz "Objects" nicht mit "A cloth" und "More", sondern mit "Mildred´s umbrella" oder "A blue coat" zu verbinden. Welch ein Reichtum an Möglichkeiten, welch eine Bewegung! Welch eine Lust, Strukturen in Gang zu setzen und damit von den Strukturen selbst bewegt zu werden.

Deadline. Florence legte die Nadel aus der Hand, Mascha legte den Hammer nieder, Ulrike klappte ihr Dramaturgiebuch zu und Jasmin die Partitur. Lesley Bollinger (Margite), Katja Beer (Marguerite) und Jaqueline Zander (Margherita) sagten: "It´s over, Thomas. Keine neue Musik mehr, keine Neueinstudierungen mehr und keine Änderungen mehr", - und da wußte ich, daß es vorbei war.

Eine Karteikarte:

"Von großer Bedeutung die ´Lieder ohne Worte´:
Instrumentale Intermezzi ohne die drei Frauen.
Das ist die Zeit der Objekte, die zu solistischen ´narrators´ werden - und ganz besonders hier die Mode.
Die stumme Dienerin in ihren Kleidern; eben noch sah man sie in
Gesellschaft der drei, wie sie ihr Kleider entnahmen und gaben,
eben war sie also noch Gebrauchsgegenstand oder Nebenrolle,
doch nun, nachdem die drei nicht mehr da sind, nachdem jetzt eine schöne und stille Musik die im spot stehende Stumme begleitet, beginnt sie, so wie sie drapiert ist, ´ihre´ eigene Geschichte zu erzählen, wie sie da steht in archetypischer Haltung, schön und fern in ihren Kleidern, die schöner werden, je länger man sie betrachtet..."

Hören Sie die Umbaumusik für Glasharmonika, die "Musique pour Marguerite".

(Gekürztes Referat, gehalten am 17.April 1996 im musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg)

Mehr Infos: BÜHNENWERKE "Tender Buttons - ein poetisches Musiktheater"






 
       
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